Heimkehr ins Varenland

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Es hatte angefangen zu schneien, als das Kloster zwischen den Hügeln auftauchte. Es war der erste Schnee des Winters, und der Vorbote frostiger Nächte – während derer in gut beheizten Schenken gefeiert und gesungen werden würde. Dieses waren wohl auch Uldveys Gedanken, als er die vertrauten Mauern des Klosters sah, in dem er viele Jahre lang gelebt hatte, ehe er mit Angus zusammen aufgebrochen war, um Abenteuer zu erleben.

Angus. Ihn hofften die Gefährten hier wieder zu treffen. Wehmut schlich sich in Uldveys Gedanken. Mijaléjin warf dem Ordenskrieger ein aufmunterndes Lächeln zu. Sie wusste, woran Uldvey dachte und dass er hoffte, dass sich sein Freund von den Zweifeln erholt und wieder einen Weg zu Vorins Güte gefunden hatte.

Als sie das Tor passiert und den Innenhof erreicht hatten, war die Kunde über die Ankunft der Gefährten soweit durch das Kloster gedrungen, dass einige Bewohner herbeigelaufen kamen, und Uldvey überschwänglich begrüßten. Nachdem auch die anderen Gefährten vorgestellt und begrüßt worden waren, begab man sich ins Refektorium, wo eine Mahlzeit aufgetragen wurde.

Die Gefährten setzten sich zu Tische. Einer der ansässigen Varen, der erwürdige Hüter Beowin leistete ihnen Gesellschaft. Er winkte einen jungen Mann herbei, der abseits gestanden und Uldvey schon seit seiner Ankunft mit unverkennbarem Interesse beobachtet hatte: „Snik, Junge, komm herüber! Begrüße unsere Gäste und dann bring einen guten Krug von Vorins Bestem!“

Kaum hatte es der Hüter gesagt, stand Snik auch schon neben dem Ordenskrieger. Mit großen Augen schien er sich jeden Falz und jede Niete von Uldveys Rüstung einprägen zu wollen.

„Snik!“ Beowins forsche Stimme ließ den jungen Mann aufschrecken. Er lächelte betreten und eilte schnell davon. Während dies geschah, flüsterte Mijaléjin Uldvey zu: „Angus? Warum kommt er nicht, um uns zu begrüßen?“

Der Ordenskrieger nickte und gab die Frage direkt an Hüter Beowin weiter. In dem Moment kamen weitere Bewohner des Klosters, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Sie scharten sich um Uldvey. Doch als sie Beowin von Angus sprechen hörten, verschwand die Freude aus ihren Gesichtern.

Beowin schüttelte bedauernd den Kopf. „Angus hat uns im Spätherbst verlassen. Es war ihm zu turbulent hier.“

„Zu viel hat ihn an frühere Zeiten erinnert“, warf einer der Umstehenden ein. Uldvey blickte auf, erkannte den Sprecher und nickte ihm mit einem freundlichen, doch von Trauer überschatteten Nicken zu. „Aber wohin?“

„Weiter nach Norden.“ Beowin zuckte mit den Schultern. „Genaueres wissen wir nicht. Er wollte sich einfach in Klausur zurückziehen, um weiter Zwiesprache zu halten mit Vorin.“

Es entstand eine Pause des Schweigens, die glücklicherweise rasch durch Snik beendet wurde, der mit einem großen Krug voll Vorins Bestem zurück ins Refektorium kam. Trinkhörner und Becher wurden gefüllt und nach dem „Trinkt, Freunde, trinkt!“ erzählten die Gefährten, was ihnen während der letzten beiden Jahre widerfahren war: Geschichten von fernen Landen, Dämonen, Untoten und anderen Gefahren, aber auch von glücklichen Begegnungen und von neuen Freunden, die man kennen gelernt hatte.

Immer mehr Klosterbewohner kamen ins Refektorium. Um das Kopfende des Tisches, wo die Gefährten saßen, entstand so immer wieder Gedränge und Schubsen, wenn neue Zuhörer versuchten nach vorn zu drängen, um besser zu verstehen. Doch der junge Snik ließ sich weder durch Knuffe noch durch Worte von seinem Platz neben Uldvey vertreiben. Gebannt lauschte er den ganzen Abend und dachte an die Worte seiner Mutter, die so oft in ebensolcher Weise von seinem furchtlosen Vater gesprochen hatte, den der Junge selbst nie kennen gelernt hatte.

Als sich die Runde spät in der Nacht auflöste und man zu Bett ging, nahm Hüter Beowin Uldvey zur Seite. „Wohin werdet ihr als nächstes ziehen?“

Uldvey zuckte die Schultern. „Das werden wir zusammen entscheiden. Aber noch haben wir uns nicht besprochen. Den Winter werden wir wohl hier im Varenland verbringen, denke ich.“

Beowin nickte. „Das, was du vorher von diesem Land Mythodea erzählt hast, stimmt mich nachdenklich. Ich muss das natürlich vorher noch mit den anderen Hütern und Sagensuchern besprechen, aber ... könntest du dir vorstellen, noch einmal dorthin zu reisen, um mehr herauszufinden über die Elemente, und warum Vorin dort nur durch sie zu sprechen scheint?“

Der Ordenskrieger schwieg und nickte dann nachdenklich. „Wir kennen den direkten Weg nach Mythodea nicht ... und seit unserer Rückkehr sind wir viele Monate unterwegs gewesen – es würde noch einmal die gleiche Zeit dauern, auf gleichem Weg zurückzugehen ...“

Der Hüter legte Uldvey eine Hand auf die Schulter. „Vielleicht findet ihr einen anderen Weg.“

„Ja, das wäre gut möglich.“ Und dann fügte Uldvey noch hinzu: „Aber das kann ich nicht allein entscheiden. Ich werde meine Gefährten fragen, ob sie bei einer solchen Unternehmung dabei wären.“

Beowin lächelte. „Tu das. Wir sprechen in den nächsten Tagen noch einmal darüber.“

Und so war es auch. Die Gefährten kamen zusammen und wogen Vor- und Nachteile gegeneinander ab, ehe sie entschieden, der Bitte der Geistlichen nachzukommen und sich nach Anbruch des neuen Jahres erneut auf den Weg nach Mythodea zu machen.

Doch bis es soweit war, wurde so mancher Krug Bier geleert und so manches Lied angestimmt. Sie zogen durch die Gegend, besuchten alte Freunde und kehrten schließlich eines Abends in ihre ehemalige Stammkneipe „Zum Küstenloch“ ein.

Kaum hatten sie den schummrigen Schankraum betreten, da wurden sie schon von der Seite mit fröhlichem Hallo angerufen. Schnell stellte sich heraus, dass es ein alter Bekannter von Roderik, Uldvey und Angus war, ein Inselvare namens Cales. Man bat ihn, in der Runde Platz zu nehmen, es dauerte keine zwei Trinksprüche, ehe Cales – begeistert von den Abenteuern der Gefährten, die hier mittlerweile in aller Munde waren – die Bitte vorbrachte, sich der Gruppe anschließen zu dürfen.

Londrak lachte zustimmend und ließ seinen Humpen auf die Tischplatte knallen. Uldvey klopfte Snik auf die Schulter, der neben ihm auf der Bank saß.

„Klar, Cales, schließ dich uns an! Unser kleiner Snik hier hat das Gleiche getan.“

Snik grinste verlegen, als Uldvey hinzufügte: „Er übt schon, meine Waffen und Schilde zu schleppen ...“

Und als Cales einen verdutzten, fragenden Blick in die Runde warf, erklärte Mala: „Uldvey wird Snik als Knappen annehmen, wenn wir wieder aufbrechen.“

In dem Moment kam der Wirt, den man den Schwarzen Schorsch nannte, mit einem weiteren riesigen Met-Horn herein. „Geht auf’s Haus!“ grinste er und nahm Londrak den inzwischen leeren Trinkschlauch ab, der eben noch voller Schnaps gewesen war. „Die Hühner sind auch bald fertig. Nur noch ein wenig Geduld.“

Ein Bursche trug eine Holzplatte mit frischem duftenden Brot und mehreren Schalen Schmalz herein. „Am besten ihr stärkt euch daran schon einmal“, meinte der Wirt und zeigte mit einer umfassenden Armbewegung in die Runde. „Aber dazu benötige ich noch einen von euch, der eine vertrauensvolle Aufgabe übernimmt.“ Der Schwarze Schorsch hielt ein etwa fingergroßes irdenes Gefäß in die Höhe. „Salz! ... wertvoll genug, um es nicht mutwillig zu vergeuden. In wessen Hände darf ich es vertrauensvoll geben?“

„Mala“ kam es aus aller Munde und so nahm die Alchimistin das Salzgefäß, um jedem der Gefährten eine kleine Ration für das Schmalzbrot zuzuteilen.

Das Essen war kaum aufgetragen, als sich der Schankraum weiter füllte. Andere Barden hatten davon gehört, dass Abenteurer zu Gast waren und wollten sich die Erzählungen als Inspirationsquelle neuer Balladen nicht entgehen lassen.

Mijaléjin saß während des Mahls still bei Tisch und beteiligte sich kaum an den Geschichten, was nicht allein ihrer elbischen Zurückhaltung zuzuschreiben war.

„Was ist los mit dir?“ wollte Uldvey wissen.

Mia schüttelte den Kopf. „Es ist nichts.“ Sie lächelte leicht. „Nichts, womit ich dich beunruhigen wollte.“

Der Abend endete schließlich nach einem Bardenwettstreit, einer zwanglosen Kneipenschlägerei zwischen Uldvey und Londrak, gemeinsamem Musizieren und dem Austausch von Liedgut in den frühen Morgenstunden.

Nachdem sich die Gefährten anderntags ordentlich ausgeschlafen, Proviant und warme Reisekleider gepackt und sich bei sämtlichen Freunden verabschiedet hatten, brachen sie zusammen mit den zwei neuen Begleitern Cales und Snik zu neuen Abenteuern auf.



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