Begegnung: Schiffsreise auf der „Excalibur“

From VarenWiki
Revision as of 14:38, 5 November 2008 by Mijaléjin (talk | contribs)
Jump to: navigation, search
Die Kaimauer lag im Schatten des frühen Abends, als der Kapitän der Excalibur über die Planken an Bord seines Schiffes schlurfte. Kaum hatte er die Stufen, die hinauf zum Oberdeck führten, erreicht, da rief ihn von jenseits der Kombüse der Steuermann an. „Die Reisenden sind unter Deck.“

Der Kapitän nickte, als er die Stufen nach oben nahm. Ihm sollte es recht sein. Mitreisende musste er dulden, denn sie brachten ein gutes Zubrot. Doch gebrauchen konnte man die Landratten selten. Da war es ihm nur lieb, wenn sie nicht im Weg standen – oder was noch schlimmer war, an Deck saßen, zechten und grölten und damit schlechte Stimmung unter seiner Mannschaft verbreiteten.

Mittlerweile hatte der Kapitän das Oberdeck erreicht. Prüfend schaute er in den Himmel und dann hinaus aufs Meer, das von einer auffrischenden Brise in graue schimmernde Falten gelegt wurde.

„Es ist eine Elfe unter ihnen.“

„Wie?“ Der Kapitän hatte seinen Steuermann nicht herankommen hören.

Dieser wiederholte seine Worte. Der bissige Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Unter den Reisenden ist eine Elfe – und noch zwei weitere Weibsbilder.“

Der Kapitän zog die Nase kraus. „Sie sollen unter Deck bleiben. ... habe keine Lust, auf einer Sandbank liegen zu bleiben, nur weil flanierende Weiber die Mannschaft von der Arbeit abhalten. – Schlimm genug, dass wir sie überhaupt an Bord haben.“ Der Steuermann nickte und wollte sich soeben davonmachen, als ihn der Kapitän zurückhielt. „Sind das die einzigen Reisenden?“

„Nein, Kapitän. Da sind auch noch drei Männer. Ein Priester und ein Ordenskrieger und ... hm, der dritte kam mit einer der Frauen an Bord. Könnte ihr Gehilfe sein.“

„Hm.“ Der Kapitän kratzte sich die struppigen Barthaare unter dem Kinn. „Mir egal, wer die sind. Die Männer sollen sich morgen an Deck nützlich machen.“

Und so saßen wir an jenem ersten Abend kurz vor dem Ablegen der „Excalibur“ unter Deck auf zwei Holzbänken längs eines knorrigen Tisches – etwas unbehaglich zunächst ob der Nähe zu einander, da wir einander nicht kannten. Doch die Varen machten diese Beklommenheit schnell vergessen. Krüge wurden mit Bier gefüllt und sobald ihr fröhliches „Trinkt, Freunde trinkt!“ erklang, war der erste Schritt getan, einander vorzustellen und zu erzählen, welches Geschick jeden von uns auf dieses Schiff geführt hatte:

Uldvey und Angus hatte man nach Jahren der Ruhe und des wohlgefälligen Klosterlebens in die Welt hinauskomplimentiert. Angus, der den Beinamen Feuerkelch trug, stellte sich als Priester Vorins vor. Sein Ziel war es, auf dieser Reise Geschichten und Weisheiten zu finden, die man eines Tages im Buch Ur sollte nachlesen können. Uldvey, ein Streiter Vorins, war ihm zum Schutze zur Seite gestellt worden.

Malacenta Weißwind, die wir zukünftig meist nur Marla nannten, erzählte von ihrer Profession, der Alchemie, die sie von ihrem Vater erlernt hatte und die sie nun zu vertiefen, gleichzeitig aber auch an ihren Schüler Falk weiterzugeben suchte. Wie wir rasch – nämlich beim ersten Zuprosten – erfuhren, hatte jener Falk Brinnson ein großes Opfer gebracht, um Marlas Schüler zu werden: er hatte jeglichem Alkoholgenuss abgeschworen. Das stimmte zu diesem Zeitpunkt jedoch ausschließlich die Varen verdrießlich, die nun darauf verzichten mussten, den Bierkrug mit Falk zu leeren.

Tiniri hatte gerade angehoben, von ihrem Clan der Eulen zu erzählen, als ein großer Holztrog mit Sauerkraut und Fleischstücken hereingetragen wurde. Da zeigten ihre Züge ein deutliches Missfallen. Unter Blätterranken, die um ihre Stirn geschlungen waren, warf sie böse Blicke in Richtung des Mahls. Wie wir erfuhren, gehörte Tiniri einem naturverbundenen Volke an und hatte sich gegen den frevelhaften Verzehr fleischlicher Speisen ausgesprochen.

Mijaléjin Schneesang blieb nach elbischer Manier auch während des Essens zurückhaltend. Sie machte sich im Stillen ein Bild von der Reisegesellschaft. Später erzählte sie, dass sie ihren Beinamen erhalten hatte, weil sie – geboren in einem eisigen Winter – in ihrer Wiege unter freiem Himmel dem fallenden Schnee gelauscht hatte wie einem fernen Wiegenliede. Später erfuhren wir noch, dass Mijaléjin die Suche nach dem Licht Nemn auf dieses Schiff geführt hatte.

Ein kühler Morgen lag über dem Meer. Bleischwer standen Nebelschwaden über der ruhigen See. Als der Dunst langsam über die Brandung das Festland hinaufzog, tauchte in der Bucht der Umriss eines Schiffsrumpfes auf. Zur Seite geneigt lag er bewegungslos im Wasser. Die Segel hingen schwer herab und klatschten hin und wieder gegen die Masten. Totengleich lag die Excalibur auf einer Sandbank aufgebart vor der westlichsten Küste Mythodeas.


Als wir an jenem Morgen erwachten, wurde uns schnell klar, dass etwas nicht stimmte. Weder das Knarren der Takelage, noch das Rufen der Männer an Deck war zu hören. Kein ruhiges Schwanken, das davon kündete, an Bord eines Schiffes zu sein...

Die Tür der Kajüte schwang anders als sonst nicht mühelos auf. Wir mussten sie gegen die Schwerkraft nach oben drücken, was an der offensichtlichen Schräglage des Schiffes lag, wie wir kurz darauf feststellen mussten. Wir waren auf eine Sandbank aufgelaufen – vermutlich war der Nebel daran Schuld gewesen oder die Finsternis der letzten Nacht – oder beides. Was uns jedoch mehr noch verunsicherte als die unfreiwillige Unterbrechung unserer Reise war der Umstand, dass außer uns auf dem ganzen Schiff keine einzige lebende Seele zu finden war.

Zunächst gingen wir davon aus, dass man uns der Einfachheit halber an Bord zurückgelassen hatte, während Kapitän und Mannschaft nach einer Möglichkeit der Hilfe suchten. Doch als wir die Beiboote fest vertäut und unberührt vorfanden, mussten wir uns eingestehen, dass unsere Situation wohl ernster war, als wir es zunächst vermutet hatten.

Keiner unserer kleinen Reisegesellschaft war bewandert in Dingen der Seefahrt. Und obwohl die Varen mehrfach betonten, eine gewisse Gefühlsnähe zum Wasser, dem Hauptbestandteil des von ihnen gebrauten Bieres, zu haben, waren auch sie nicht in der Lage, einen Dreimaster zu navigieren – einmal ganz abgesehen davon, dass das Schiff derzeit bleischwer auf Grund lag. Also kamen wir überein von Bord zu gehen. Wir wollten zunächst zusammenbleiben – in Anbetracht der eigenartigen Umstände, die uns an die Küsten dieses Landes getragen hatten, schien dies uns allen eine durchaus sinnvolle Vorgehensweise. So ließen wir eines der Beiboote zu Wasser und setzten, ausgestattet mit Vorräten und Ausrüstung von Bord des Schiffes, aufs Land über.

Wir, das waren die Varen Uldvey und Angus, die Alchimistin Marla und ihr Schüler Falk, Tiniri vom Clan der Eulen und Mijaléjin vom Volk der Windelfen.